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CTH 374

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Citatio: E. Rieken et al. (ed.), hethiter.net/: CTH 374 (TRde 2017-11-24)

1 -- [Hier (vor) dir] habe ich[, der König, mich verneig]t
2 -- und [zu dir spreche ich:]
3 -- [DU,] Sonnengott, (bist) die Lich[t(quelle) in der Umkreisung von Himmel] und [E]rde.1
4 -- [Sonnengot]t, erhabener König, [S]ohn der Ningal,2 [Ver]trag[sr]echt (und) Gewohnheitsrec[ht] machst [DU, Sonnengot]t, bindend.
5 -- Im Lande3 (bist) D[U4 gut ge]stellt5.
6 -- Sonnengott, <ein gerechter> Gott (bist) DU!
7 -- [ ... ] ist [D]IR, dem Sonnengott, gegeben.
8 -- Ein gerechter [Herr des Herrschens (bist) DU].
9 -- Vater (und) Mutter aller [Län]der (bist) DU.
10 -- [Enlil, dein Vater, hat] DIR das [Land], die vier (Welt-)Ecken, in deine Hand [gelegt].6
11 -- Der Herr des [Geric]hts bist DU.
12 -- [Eine Ermüdung am Ort] des Geric[hts] gibt es für dich nicht.
13 -- [Auch u]nter den al[ten Göttern (bist) du, Sonnengott, erhabe]n:
14 -- [Den Göttern stellst DU], Sonnengott, [die Opf]er [bereit];7
15 -- Auch [den al]ten [Göttern] stellst DU [i]hren [Anteil] bereit;8
16 -- DIR, dem Sonnengott, [öffnet9 ma]n die Tür [zum Himmel].10
17 -- Das Tor11 des Himmels durchschreitest DU, Sonnengott, als ein Gutgestellter.12
18 -- Die Götter des [Hi]mmels und der Erde haben sich (vor) DIR, dem [Son]nengott, niedergebeugt.
19 -- Und [wa]s auch immer du, Sonnengott, sagst,
20 -- die Götter aber verneigen sich wiederum vor dir13, dem Sonnengott.
21 -- Sonnengott, für Verwaiste und Alleinstehende Vater (und) Mutter (bist) DU.
22 -- Sonnengott, für den A[nklagegegenst]and14 der verwaisten und geschädigten Menschen15 entschädigst DU, Sonnengott.16
23 -- Wenn bei [Tagesan]bruch [ ... ] der Sonnengott auf der Seite des Himmels17 aufsteig[t],
24 -- trit[t dein], des Sonnengottes Licht in [alle obe]ren Län[d]er und unteren Länder.
25 -- Die Rechtsangelegenheit18 von Hund und Schwein [r]ichtest DU.19
26 -- Sowohl die Rechtsangelegenheit der Tiere, d[i]e nicht mit dem Mund spreche[n] (können),
27 -- auch die richtest du,
28 -- als auch der schlechten (und) der [b]öswilligen Mensche[n Re]chtsangelegenheit richtest DU, Sonnengo[t]t.
29 -- Welchem Mensche[n aber] die Götter zürnen,
30 -- und (wen) sie vernachlässige[n],20
31 -- [den] behandelst DU, Sonnengott, wieder gütig.
32 -- Mich aber, den K[önig], wirst du, Sonnengot[t, un]terstützen!
33 -- [... o]pf[ere ich] (dir,) dem Sonnengott, [Fleis]ch21, Brot (und) [Bier].
34 -- [U]nd du [wirs]t mich, [deine]n treu[en Diener], den König, [an die H]and [nehmen].
35 -- Die Vie[r22, die du, Sonneng]ott, angesch[irrt hast],23
36 -- ihnen [hat das Menschenkind] hie[r Gerste hingeschüttet].
37 -- [Deine Vier sollen fress]e[n]!
38 -- Solange [dein]e Vie[r] die Gerste f[ressen],
39 -- [ ... ]24 spreche ich hi[er, der Köni]g, ein Wort zu dir.
40 -- Hö[re] mich!
41 -- [Sonnengott, erhabener König, du durchwanderst ewig die vier (Welt-)E]cke[n],
42 -- [zu d]e[iner Rech]ten [lauf]en die Äng[st]e,
43 -- zu deiner25 Linken aber laufen die Schrecken.26
44 -- Bunene, dein Wesir, geht zu deiner Rechten,
45 -- Mišaru aber, dein Wesir, geht zu deiner Linken.27
46 -- Hier,28 (vor) dir (scil. Sonnengott), habe ich, der König, mich niedergebeugt
47 -- und zu dir spreche ich (jetzt)29:
48 -- Welcher Gott mir diese Krankheit gegeben hat,
49 -- sei es, dass jener Gott (sich) im Himmel (befindet), oder sei es, dass er (sich) in der Erde (befindet),
50 -- DU aber, Sonnengott, gehst zu ihm.
51 -- Geh30 (und) sprich zu jenem Gott:31
52 -- Habe ICH etwa DIR, meinem Gott, etwas getan?
53 -- Habe ich etwa in irgendetwas gefrevelt?'32
54 -- Mein Gott, DU hast mich erschaffen.
55 -- DU hast (mich), den Sterblichen, erschaffen.
56 -- ICH aber, was habe ich meinem Gott33 getan?
57 -- Der Kaufmann, der Mensch,34 hält vor dem Sonnengott die Waage,
58 -- und er verfälscht die Waage.35
59 -- ICH aber, was habe ich meinem Gott getan?
60 -- Mein Haus ist mein Haus der Angst geworden.
61 -- Ich [äng]stige mich (jetzt)36.
62 -- Meine Seele aber dr[i]f[t]et an einen anderen Ort.37
63 -- Wie (einer, der) krank (ist) für den Zeitraum des (ganzen) Jahres,
64 -- auch [ICH] bin (wie) jener geworden.
65 -- Die Krankheit ist mir (zu) viel geworden.
66 -- Das sage ich DIR (jetzt)38, Sonnengott!39.
67 -- In der Nacht ergreift mich in meinem Bett [ke]in angenehmer T[raum me]hr.
68 -- Für mich, für meinen Namen, wird [ni]chts Gutes mehr offenbar.40
69 -- Die Schutzgottheit und die (Gottheit der) Stärke41 (sind) [mir] nicht mehr (gewogen) wie frü[her]42.
70 -- [Ob] du, mein Gott, [mir] vom Mutterleib an nichts Gutes (fest)geschrie[ben43 hast],
71 -- [habe ICH (denn) wie]derum niemal[s] eine Seherin danach [gefragt]?44
72 -- [Jetzt rufe ich vor meinem Gott 'G]nade!' aus.45
73 -- Und (du), mein Gott, höre mich!
74 -- Ich bin zu einem [nicht gutgestellten] Mann geworden.
75 -- Am Ort des Gerichts aber mich/mir [ ... ].
76 -- [Welche] ich g[ut beh]andelt habe,
77 -- sie en[tschädig]en mich dafür wieder mit etwa[s Sch]lechtem.
78 -- DU aber, mein Gott, (bist) mir wie ein Vater, DU.
79 -- [Meine] Mutter [aber] gibt es [für m]ich nicht.
80 -- DU, mein Gott, (bist) mir wie eine M[utter], DU.
81 -- Jetz[t aber] win[d]e46 ich mich vor An[gs]t47 Tage und Nächt[e].
82 -- Mein Gott, lass mich überleben!
83 -- (Er)löse mich wie einen Menschen, der g[an]z an (seine) Vergehen gebunden ist!48
84 -- Nimm mich an der Ha[nd] zu einem guten Ort!
85 -- Ziehe mich herauf aus dem Abseits49!
86 -- Wie ein gebrochener50 Mann habe ich zu laufen aufgehört.
87 -- Ich streife nicht mehr auf der dunklen Erde umher wie früher.
88 -- Wohin ich wie Wasser fließe,
89 -- ich kenne meinen (Ziel)ort nicht.51
90 -- Bis52 ich – wie ein Schiff – das Ufer erreiche,
91 -- weiß ich (es) nicht.53
92 -- Ich [ ... ]-e54 [ ... w]ie55 [ ... ]:
93 -- Mein Gott, nimm mich an der Hand!
94 -- Kümmere dich um mich zur Unterstützung [des ... w]egen!
95 -- Und mir/mich [ ... ]!
96 -- [ ... ] spreche ich empor.
97 -- [ ... ] das L[and von] Arzawa [begann] zu ernie[d]rige[n].
98 -- [ ... ] entge[g]en [ ... ].
99 -- [ ... ]
100 -- [ … ] mein [ ... ] mit Augen [ … ].
101 -- [ … ]mit Augen an[ - …],
102 -- [ ... ] jener bleibt am Leben.
103 -- [ ... ]
104 -- Der/ein Mensch [ ... ].
105 -- [ ... ] etwas [ ... ].
106 -- [ ... ] siebenmal das Vergehen [löse]56!
107 -- [ ... ga]nz fort [ ... ]!
108 -- [ ... ]
109 -- Er [ ... ] soll bezwingen!
110 -- Er soll [das Vergeh]en ganz fort [ ... ]!
111 -- [ ... w]ie [ ... ].
112 -- [ ... gegenüb]er [wer]den [ ... ] meiner [Mutt]er (Gen.).57
113 -- [ ... ]
114 -- [ ... geg]enübe[r … ]
1
Babylonisches Motiv, vgl. zuerst Güterbock H.G. 1958a, 241b.
2
Metcalf C. 2011a, 2 gibt eine babylonische Parallele dieser Textstelle an.
3
KUR-ya ištarna drückt die räumliche Erstreckung aus.
4
Der Fokus, der im hethitischen Text durch die Setzung des betonten Personalpronomens ausgedrückt ist, ist hier und im Folgenden mittels Großschreibung markiert.
5
HW² A, 379b übersetzt aš(ša)nuwanz(a) mit 'versorgt', HED A, 195 'favored'.
6
Babylonisches Motiv, vgl. zuerst Güterbock H.G. 1958a, 241b.
7
Metcalf C. 2011a, 4-6 gibt die sumerische Parallele dieser Textpassage an.
8
Babylonisches Motiv, vgl. zuerst Güterbock H.G. 1958a, 241b.
9
Die Verbalhandlung āppa haškanzi '(Türen) zurücköffnen' schließt das vollständige Umlegen der Türflügeln ein. Anders Schwemer D. 2013a, 108, der das Präverb als 'wieder' übersetzt.
Babylonisches Motiv, vgl. zuerst Güterbock H.G. 1958a, 241b.
Pluraletantum.
Babylonisches Motiv, vgl. zuerst Güterbock H.G. 1958a, 241b.
Lebrun R. 1980e, 128 fasst āppa als 'hinter' auf, was aber syntaktisch ausgeschlossen werden kann.
Vgl. Melchert H.C. 1979a, 268-271 zur Bedeutung von kattawātar. Vgl. Metcalf C. 2011a, 6f. zur hethtischen Umdeutung der sumerischen Vorlage im Zuge des Adaptionsprozesses.
Es kann hier formal sowohl ein Genitiv als auch ein Dat./Lok. vorliegen.
Eine inhaltliche Entsprechung dieses Kolons zu einem Ištar-Hymnus erkennt Görke S. 2000a, 109.
Der Ablativ hat hier die Funktion einer Lokalangabe (vgl. kunnaz 'zur Rechten' u.ä.).
Im Hethitischen ist ḫanneššar ḫannatta eine Figura etymologica, ein beliebtes Stilmittel der Hethiter.
Nach Güterbock H.G. 1958a, 242a gibt es für die Einbeziehung von Hund und Schwein wie der anderen Tiere im folgenden Kolon keine babylonische Vorlage.
Singer I. 2002c, 34 übersetzt „whom they reject“.
Das Zeichen ist nicht ganz sicher. KUB 31.127+ Vs I 50 (CTH 372) führt nur Brot und Bier auf.
Gemeint ist ein Viergespann. Zur Diskussion um die Quadriga vgl. Wilhelm G. 1994b, 65ff. Alaura S. 2014a, 234 macht zu Recht darauf aufmerksam, dass nur die Zugtiere erwähnt sind, nicht aber der Wagen. Die vier Zugtiere beurteilt Alaura S. 2014a, 241 wie folgt: „The analytical Mesopotamian set of four names is replaced in the Hittite prayers by numerals, 'Four', and by two dual denominatives forming a hendiadys, 'Fear' and 'Terrors'. ( … ) rendering to the qualitative and physical aspects of the four nighttime animals.“
Metcalf C. 2011a, 3 gibt die babylonische Parallele zu diesem Kolons an.
Ein Kolon mit Parenthese weggebrochen.
Possessive Funktion ausgedrückt durch -tta.
In der Zuordnung von 'Angst und Schrecken' sieht Wilhelm G. 1994b, 66f. einen Fremdkörper in dem ansonsten stark babylonisch geprägten Sonnenhymnus. Er schreibt: „Es handelt sich hier also in der Tat um ein Motiv, das der hethitische Verfasser aus seiner heimischen Traditionswelt eingebracht hat“. Alaura S. 2014a, 243 hält beide für mesopotamisch und sieht in ihnen „animals of the second team of the Sun-god, which ( … ) are capable of warding off the enemy and facing the dangerous nighttime journeys through the netherworld sea.“
Metcalf C. 2011a, 2 gibt die babylonische Parallele für dieses und das vorangegangene Kolon an.
Ab hier nimmt CTH 372 mit KUB 31.127+ Vs. I 68 einen anderen Fortgang.
Funktionsspektrum von -ške-.
Ab hier vgl. KUB 30.10 Rs 11'ff. (CTH 373). – Güterbock H.G. 1974d, 323f. stellt den Beginn des Gebets an den persönlichen Gott dem Beginn eines akkadischen Gebets gegenüber, s. Lambert W.G. 1974a, 278.
Güterbock H.G. 1978b, 228 (basierend auf Güterbock H.G. 1958a, 242b) erläutert hierzu: „Der Sonnengott wird gebeten, dieses (scil. persönliche Gebet) dem persönlichen Gott des Beters zu übermitteln. Während sowohl die Vorstellung vom persönlichen Gott wie auch das Motiv der Fürsprache in Babylonien bekannt ist, wird man dort schwerlich den Fall finden, dass der große Šamaš gebeten wird, den persönlichen Gott aufzusuchen“.
Singer I. 2002c, 35 übersetzt: „My god, what have I ever done to you and how have I sinned?“; Schwemer D. 2013a, 109 fasst neku/nikku als 'doch nicht etwa?' auf.
Die Manuskripte C und D haben hier =tta kinun statt DINGIR-YA. Die Übersetzung müsste dementsprechend lauten: „ICH aber, was habe ich dir jetzt getan?“.
Auch im Text mit Apposition DAM.GÀR -.
Güterbock H.G. 1974d, 323f. verweist auf eine akkadische Vorlage, s. Lambert W.G. 1974a, 278.
Funktionsspektrum von -ške-.
Güterbock H.G. 1974d, 326 weist darauf hin, dass dieses und das vorangegangene Kolon ein Vorbild in einem sumerischen Gebet haben, vgl. Lambert W.G. 1974a, 301.
Funktionsspektrum von -ške-.
Schwemer D. 2015a, 349 weist darauf hin, dass hier entsprechend den parallelen Texten CTH 372 ( KUB 31.127 Rs. III 4') und CTH 373 (KUB 30.10 Rs. 17) in die erwartete Anrede des persönlichen Gott emendiert werden muss.
Ganz anders Lebrun R. 1980e, 124 und 129 bezüglich Lesung und Übersetzung.
Singer I. 2002c, 35 übersetzt „Strength-god (Annari)“; Schwemer D. 2013a, 109: „göttliche Stärke“.
Die Form karūiliyatta des Nomens karūiliyatt- c. ist nach Hoffner H.A. – Melchert H.C. 2008a, 122 ein Akkusativ Plural des Kollektivums.
Mit dem Verb gulš- 'schreiben, eingravieren' ist dGulša- 'Schicksalsgöttin' etymologisch verwandt. Die dGulša-Göttinnen 'schreiben' das Schicksal eines Menschen (vgl. Haas V. 1994a, 308).
Die anderen Übersetzungen gehen hier nicht von einer rhetorischen Frage aus.
Dieser Ausruf erinnert an die šigū-Gebetsbeschwörungen, vgl. Görke S. 2000a, 116.
Tischler J. 2008a, 100 führt heth. išpandan laknu- als 'die Nacht herumschlagen' an. Görke S. 2000a, 71 übersetzt frei: „verbringe ich Tag und Nacht schlaflos“ und deutet den Akk. der zeitlichen Erstreckung als Objekt um.
Form pluralisch.
Diese Aussage erinnert an die šigū-Gebetsbeschwörungen, vgl. Görke S. 2000a, 116.
Das Nomen ar(r)uša- heißt nach Tischler J. 2008a, 28 'Verrat, Abseits'. Singer I. 2002c, 35 scheint indessen zu arunaz zu emendieren: „and haul me up from the sea“. Schwemer D. 2015a, 372 hat „and drag me up from the abyss!“; Schwemer D. 2013a, 100: „aus der Tiefe“. Beides ist denkbar.
Nach Tischler J. 2008a, 206 kann sich dudduwarant- sowohl auf den Körper als auch den Geist beziehen. Schwemer D. 2013a, 109 entscheidet sich für 'Krüppel' und bleibt so ganz in der Metapher.
Görke S. 2000a, 108 verweist hier mit Lambert W.G. 1974a, 290-291 auf eine sumerische Vorlage der Kola 88-92.
Zur Funktion von kwitman mit perfektiven Verben vgl. Daues A. 2010a.
Singer I. 2002c, 35 übersetzt die Passage mit „Wherever I flow like water, I do not know my location. Like a Boat, I do not know when will I arrive at land“. Schwemer D. 2015a, 372 übersetzt ähnlich: „And where I flow like water, I do not know my location. Like a boat I do [not] know (my destination) until I arrive at the quay.“
1.Sg. Prs. Akt. einer -ške-Form.
Zur Inkompatibilität von temporalem maḫḫan und Verbalsuffix -ške- vgl. Daues A. 2014a, 91ff.
Inhalt ergänzt nach KUB 31.127 + ABoT 1.44 Rs IV 18 (CTH 372).
Singer I. 2002c, 35 hat diese Zeile nicht. Schwemer D. 2015a, 372 ergänzt die abschließenden Zeilen wie folgt: „Just as [ ..., my father's (and)] my [moth]er's [souls will bec]ome [your soul with regar]d [to me]“.